Violence as a Service (VaaS) – Gewalt auf Bestellung
Unter „Violence as a Service“ (kurz VaaS) versteht man ein Vorgehen, bei dem Gewalthandlungen gezielt an Dritte ausgelagert werden. Hinter solchen Taten stehen häufig kriminelle Strukturen: Die Personen, die eine Tat beauftragen und bezahlen, bleiben dabei möglichst im Hintergrund während andere die Ausführung übernehmen.
Das Phänomen gewinnt in Europa zunehmend an Bedeutung.[i] In Niedersachsen sind hierzu derzeit keine Fälle bekannt.
Wie funktioniert das Prinzip?
Im Kern geht es darum, dass Gewalt „eingekauft“ wird. Für Drohungen, Übergriffe oder sogar schwerere Straftaten werden Personen angeworben, die die Tat gegen Bezahlung ausführen. Besonders auffällig: Als Ausführende werden zunehmend Minderjährige oder junge, unerfahrene Personen angesprochen, die bislang nicht zwingend in kriminellen Milieus verankert sind. Die Kontaktaufnahme und Anwerbung findet dabei oft online statt zum Beispiel über Social Media, Messenger-Dienste oder auch Chat-/Spieleplattformen. Teilweise wird von den Angeworbenen erwartet, dass sie die Tat als „Beleg“ dokumentieren, etwa durch Fotos oder Livestreams.
Das typische „Rekrutierungssystem“ in vier Rollen
Ermittlungsbehörden[ii] beschreiben bei VaaS häufig ein mehrstufiges System mit klaren Rollen:
Anstifter (Instigator)
Gibt die Tat in Auftrag und finanziert sie – häufig ohne selbst in Erscheinung zu treten.
Rekrutierer (Recruiter)
Sucht und kontaktiert potenzielle Ausführende, durch direkte Ansprache oder über digitale Kanäle.
Vermittler/Unterstützer (Enabler)
Organisiert das Drumherum: Absprachen, Logistik, „Werkzeuge“, Kontakte, Zahlungswege.
Ausführender (Perpetrator)
Begeht die Tat nicht selten minderjährig oder jung und ohne direkte Bindung an die Hintermänner.
Warum ist das so gefährlich?
VaaS senkt für Auftraggeber die Hemmschwelle, weil sie die eigentliche Gewalt auslagern und sich dadurch weniger angreifbar fühlen. Für die angeworbenen jungen Menschen ist das Risiko dagegen enorm: Sie geraten schnell in schwere Straftaten, oft ohne die Tragweite vollständig zu überblicken – und können dabei zugleich selbst unter Druck gesetzt oder instrumentalisiert werden.
Was können Eltern, Schulen und Umfeld beachten?
Wichtig ist vor allem, das Thema früh anzusprechen: Jugendliche sollten wissen, dass vermeintlich „leichte Jobs“ oder „schnelles Geld“ im Netz ein Köder sein können – und dass „Aufträge“ dieser Art keine Mutprobe, sondern Straftaten sind. Da die Anbahnung auch über Messenger und Plattformen läuft, hilft es, aufmerksam zu sein für ungewöhnliche Online-Kontakte, Gruppenchats oder Geheimhaltung rund um neue „Bekanntschaften“ im Netz.
Was tun bei Verdacht?
Bei einem konkreten Verdacht gilt: nicht alleine lösen, sondern Unterstützung holen z. B. über die örtliche Polizei bzw. kriminalpräventive Beratungsstellen[iii]. In akuten Gefahrensituationen ist der polizeiliche Notruf der richtige Weg.
In Kürze:
Typischer Ablauf
- Anbahnung über Messengerdienste
- Rekrutierung durch direkte Ansprache oder durch Eigenbewerbung; teils vermittelt über Influencer- oder ähnliche Accounts.
- Auftragsklärung digital (z. B. Fotos, Zielangaben, Zeitvorgaben), häufig ohne persönlichen Kontakt.
- Ausführung der Tat; teils mit Video/Livestream als Nachweis.
- Bezahlung bleibt mitunter aus; bei Abweichungen vom Auftrag sind Drohungen oder soziale Ächtung möglich.
- Ausführende wissen teils nicht wen sie angreifen oder warum. Dadurch können Risiken für Unbeteiligte steigen.
- Als Anreiz werden manchmal Geld, Sachwerte oder Status/Bestätigung in Online-Communities in Aussicht gestellt.
Mögliche Anzeichen
- Deutlich intensivere Nutzung (auch verschlüsselter) Messenger-Apps; neue Meinungen/Werte, ausweichende Antworten oder Lügen.
- Neue Gegenstände (Kleidung, Technik) oder Geld ohne plausible Erklärung.
- Es wird weniger nach Geld gefragt, wirkt aber so, als wäre dennoch Geld verfügbar.
- Wechsel des Freundeskreises, ggf. zu älteren Jugendlichen/Erwachsenen, die Bezugspersonen nicht bekannt sind.
- Rückzug aus Alltag und Routinen (z. B. Schule schwänzen), weniger Interesse an bisherigen Freundschaften oder Hobbys.
Botschaften für Kinder und Jugendliche[TS5]
- Melde verdächtige Angebote bei der Polizei oder bei einer Vertrauensperson.
- Gehe nicht auf Online-Jobangebote ein, die nach leicht verdientem Geld aussehen und mit hoher Belohnung oder Status werben.
- Verlasse Chatgruppen, in denen solche Angebote gemacht werden und melde diese.
Was hilfreich sein kann
- Behalten Sie Routinen bei und bleiben Sie im Kontakt mit Ihren Kindern. Holen Sie sich frühzeitig Unterstützung (z. B. Polizei, Schule/Schulsozialarbeit, Jugendhilfe).
- Kontaktieren Sie bei akuter Gefahr denNotruf:110.
[i] www.europol.europa.eu/operations-services-and-innovation/public-awareness-and-prevention-guides/stop-criminal-networks-recruiting-youngsters
[ii] Ebd. www.bka.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/Kurzmeldungen/250819_Violence-as-a-Service.html
[iii] www.lka.polizei-nds.de/praevention/beratungsstellen_vor_ort/beratungsstellensuche-113753.html