Forschungsprojekt „Hass in der Stadt“

hass

Forschungsprojekt „Hass in der Stadt“

Das gesellschaftliche Klima in der Bundesrepublik hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Beleidigende Äußerungen werden insbesondere in den vermeintlich anonymen Räumen des Internets verstärkt getätigt. Sie sind teilweise gegen Individuen gerichtet, teilweise aber auch gegen ganze Gruppen, die aufgrund bestimmter Merkmale und Eigenschaften diffamiert werden (Hestermann et al. 2021). Diese sogenannte Hate Speech, die mit vorurteilsgeleiteter Hassrede übersetzt werden könnte und häufig noch durch die freie Meinungsäußerung gedeckt ist, befördert dabei ein Klima, aus dem heraus vermehrt vorurteilsmotivierte Straftaten begangen werden (Wachs et al. 2020).

Prominente Fälle der jüngeren Vergangenheit haben gezeigt, dass derartige Straftaten unterschiedlich motiviert sein können: Der Anschlag auf die Synagoge in Halle und die geplanten Angriffe auf Moscheen in Waldkraiburg zeigen eindeutig das Ziel, Menschen wegen ihres Glaubens zu töten. Auch der salafistisch-islamistische Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz in Berlin lässt sich einem Hassverbrechen zuordnen. Die Taten des sogenannten NSU oder die jüngsten Morde an Menschen mit einem Zuwanderungshintergrund in Hanau waren rassistisch motiviert und erfolgten aus dem rechtsextremen Spektrum heraus. Auch im Zusammenhang mit dem Mord an Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke, der sich für Flüchtlinge einsetzte, wurde ein Tatverdächtiger aus rechtsextremen Kreisen ermittelt. Weitere, glücklicherweise nicht tödliche Attentate auf Amtsträger und -trägerinnen wie den Bürgermeister von Altena und auf die damalige Kölner Kandidatin zur Oberbürgermeisterwahl Henriette Reker sind in diesem Kontext geschehen.

Doch auch unterhalb der Schwelle physischer Angriffe wird durch Bedrohungen, Beleidigungen und Diffamierungen Druck auf viele Amts- und Mandatsträger und -trägerinnen ausgeübt. Für manche ist der Druck so groß, dass sie zurücktreten oder eine Kandidatur für Ämter nicht mehr in Betracht ziehen (Kober 2020). Damit stellt Hasskriminalität neben potenziell schwerwiegenden individuellen Auswirkungen auf Betroffene und Angehörige auch eine Gefahr für fundamentale demokratische Prozesse dar.

Die geschilderten Beispiele zeigen, wie unterschiedlich sich vorurteilsgeleitete Kriminalität beispielsweise in Bezug auf die von Taten betroffenen Gruppen oder die begangenen Delikte darstellt. Daneben existieren aber auch Straftaten, die sich konkret auf Individuen beziehen, ohne dass diese in der Wahrnehmung der Tatverdächtigen stellvertretend für eine Gruppe stehen.

In öffentlichen Diskussion werden derartige Sachverhalte des Öfteren unzureichend getrennt und vieles wird pauschal als Hate Crime bzw. Hasskriminalität (auch: Vorurteilskriminalität) bezeichnet. Die Vorstellungen, wie die Phänomene zu fassen sind, laufen bei Medien, Politik und Wissenschaft häufig auseinander. Die Polizei reiht sich bislang in diesen Kanon ein und ist bis dato wenig in der Lage, die Diskussion über verlässliche Zahlen zu objektivieren. Dies soll sich ändern.

Erkenntnisinteresse/ Forschungsbedarf

Das Landeskriminalamt Niedersachsen hat in der Vergangenheit bereits Fragen zur Betroffenheit von Hate Crime in die „Befragung zu Sicherheit und Kriminalität in Niedersachsen“ integriert (siehe hier unter “Berichte zu den Sondermodulen“) und so für Niedersachsen wichtige Eckdaten geliefert.

Allerdings ist es über eine allgemein angelegte Bevölkerungsbefragung nicht möglich, bestimmte kleine, aber hochrelevante Betroffenengruppen verlässlich zu erfassen (zum Beispiel Menschen jüdischen Glaubens oder Mandatsträger und -trägerinnen wie etwa Bezirks- und Stadträte und -rätinnen). Auch richtet die „Befragung zu Sicherheit und Kriminalität“ den Fokus auf Straftaten und betrachtet dadurch Phänomene jenseits davon nicht oder nur als Nebenaspekt. Diese Lücke kann die Studie „Hass in der Stadt“ schließen helfen.

Durchführung/ Kooperationen

Der Bereich „Forschung, Prävention, Jugend“ (FPJ) des LKA Niedersachsen ist für die Durchführung der Studie in Hannover verantwortlich. Eine inhaltliche nahezu identische Befragung finden in der Stadt Hamburg unter der Leitung von Forscherinnen und Forschern aus den Polizeiakademien Hamburg (Prof. Dr. Eva Groß) und Niedersachsen (Prof. a. d. PA Dr. Joachim Häfele) statt. Die Forschungsergebnisse werden Vergleiche ermöglichen und sorgen für ein größeres und aussagefähigeres Zahlengerüst.

Ziele

Die geplante Studie verfolgt folgende Ziele:

  • Schaffung einer belastbaren Datengrundlage
  • Differenzierung der Belastung der Bevölkerung insgesamt sowie besondere Adressierung besonders betroffener Gruppen (z.B. Menschen jüdischen bzw. muslimischen Glaubens, LSBTIQ+, Mandatsträger und -trägerinnen)
  • Ermöglichung der Erarbeitung passgenauerer Präventionskonzepte für bestimmte Opfergruppen
  • Entwicklung von Handlungsempfehlungen, um die Anzeigebereitschaft im Bereich Hasskriminalität zu erhöhen und polizeiliche Ermittlungsarbeit zu verbessern

Forschungsdesign

Um belastbare Informationen über verschiedene Zielgruppen zu erlangen, war es notwendig, eine Stadt als Untersuchungseinheit zu wählen, die groß genug ist, um die verschiedenen Gruppen hinreichend groß abzubilden. Innerhalb Niedersachsens bietet sich daher die Landeshauptstadt Hannover an.

Es wurde eine nach Alter und Geschlecht repräsentativ angelegte Online-Bevölkerungsbefragung von 50.000 Einwohnerinnen und Einwohner ab dem 16. Lebensjahr mit Hauptwohnsitz in Hannover durchgeführt, die Informationen über Prävalenzraten, die Art und Weise der Viktimisierung und die Folgen liefern soll. Im Rahmen eines Oversamplings wurden vereinzelte kleinere Bevölkerungsgruppen (wie z.B. die jüdische Bevölkerung von Hannover oder Mandatsträger und -trägerinnen) vermehrt angesprochen. Die Anzahl der Personen wäre ansonsten zu gering gewesen, um sie ausreichend in der Befragung erfassen zu können. Die Befragung wurde mehrsprachig angeboten, um einem möglichst breiten Personenkreis die Teilnahme zu ermöglichen. Die Feldphase reichte vom 11.2.-8.4.2022.

Ergebnisbericht

Die Ergebnisse der Studie können auf dieser Seite heruntergeladen werden.

Quellen

Hestermann, T. / Hoven, E. / Autenrieth, M. (2021): Eine Analyse von Hasskommentaren auf den Facebook-Seiten reichweitenstarker deutscher Medien. Kriminalpolitische Zeitschrift (04). Online verfügbar unter: https://kripoz.de.w01ba3ca.kasserver.com/wp-content/uploads/2021/07/kripoz-gesamtausgabe-4-2021.pdf

Kober, M. (2020): Gemeinsam gegen Hass und Gewalt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bestärkt kommunale Mandatsträger. forum kriminalprävention (02), S. 3-5. Online verfügbar unter: https://aswnord.de/fileadmin/user_upload/DFKforumkp022020.pdf 

Wachs, S. / Krause, N. / Schubarth, W. (2020): Online Hate Speech. Eine aktuelle Herausforderung für das Aufwachsen im 21. Jahrhundert. forum kriminalprävention (02), S. 5-10. Online verfügbar unter: https://aswnord.de/fileadmin/user_upload/DFKforumkp022020.pdf

Kontakt:

Pressestelle des LKA NI: 0511/9873-1030

Für einen Kontakt per E-Mail nutzen Sie bitte das Kontaktformular

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln